Erlensee – Bei Familie Bousonville dreht sich in diesen Tagen alles um den Apfel. Im Garten und drinnen leuchtet‘s rot und gelb aus Eimern und Kisten. „Hochzufrieden“ könne man mit der diesjährigen Ernte sein, freut sich Reiner Bousonville. Die Pflege der eigenen Streuobstwiesen in unmittelbarer Nähe zum Passivhaus im alten Ortskern von Langendiebach ist seine Leidenschaft. „Topas, Heuchelheimer Schneeapfel, Gravensteiner, Boskoop“: Heimische Sorten sind es, die ihm das ganze Jahr über – auch flüssigen – Genuss bescheren. Ein weiteres Hobby ist das Wandern. Etwa auf dem Fernwanderweg Spessartbogen, „da sieht man, wie man die Region voranbringen kann“. Das plant der 64-Jährige auch mit seiner Heimatstadt Erlensee: Neben Amtsinhaber Stefan Erb (SPD) und Jürgen Pfeiffer (AfD) ist das Mitglied von Bündnis 90/Die Grünen einer der Kandidaten, die am 28. September zur Bürgermeisterwahl antreten.

„Dafür hatte ich eine persönliche Motivation“, berichtet der Erlenseer, der sich seit 1983 politisch engagiert, im Interview. Seit 35 Jahren gehört er dem Kreistag des Main-Kinzig-Kreises an, viele Jahre davon als Fraktionsvorsitzender der Grünen, derzeit im Vorstand. In Erlensee war er für einige Wahlperioden Teil der Gemeindevertretung, vor einem Jahr wurde er im Nachrückverfahren Mitglied der Stadtverordnetenversammlung. Die Diskussionen in der Stadt um das geschlossene Hallenbad, die defizitären Erlenseer Kulturnächte und den teuren Rathausumbau hätten ihn veranlasst, aktiv zu werden, berichtet er. Rückhalt für die Kandidatur gab ihm das einstimmige Votum seiner Parteikollegen.

In vielen entscheidenden Bereichen der Stadt brauche es neue Impulse, sagt Bousonville. Beispiel Hallenbad: „Hier sieht man, wie man mit bürgerschaftlichem Engagement umgeht.“ Dem Förderverein mit 450 Unterstützern – darunter Mitglieder von TSGE und DLRG, der bestrebt sei, die Einrichtung wiederzueröffnen, seien anfangs von der Verwaltung nicht mal die Gutachten zur Verfügung gestellt und Zugang zum Bad gewährt worden. „Er ist aber der zentrale Hebel, um es wieder aufzuschließen.“ Mit einem tragfähigen Konzept und den technischen Voraussetzungen für einen sicheren Betrieb sieht der Erlenseer durchaus eine Zukunft für das Bad.

Beispiel Baumaßnahme Rathaus: Angesichts der „Kostenexplosion“ fordert der Grünen-Kandidat eine Kurskorrektur, räumt aber ein: „Wir sind jetzt an einem Punkt, wo‘s schwierig wird.“ Die Stadt hätte schon viel früher zweigleisig fahren müssen, erläutert er, und hätte angesichts der Zahlenentwicklung neben dem Erhalt des Bestandsgebäudes Alternativen entwickeln müssen. Warum nicht das Interimsrathaus auf dem Fliegerhorst belassen und die Serviceabteilungen, derzeit im Hallenbad, in einem Neubau am jetzigen Rathausstandort unterbringen? „Zusammen mit einem Investor, der das Gebäude auch noch für Wohnungen nutzen kann.“

Aufenthaltsqualität des Zentrums steigern

Dies würde auch die Innenstadt beleben, meint Bousonville – eine weitere Aufgabe, die er sich auf die Fahne geschrieben hat: Mit Entsiegelung und mehr Grün, vor allem Bäumen, sowie Gastronomie die Aufenthaltsqualität steigern. Die Klimaschutzkonzepte, die das Parlament jüngst verabschiedet hat, müssten jetzt mit Leben gefüllt werden, das Prädikat allein nütze nichts. Gelungen sei die sukzessive Gestaltung des Limesparks. Was noch fehlt: „Bewirtung. Aber wir haben viele Vereine in Erlensee, die sich damit am Wochenende darstellen könnten.“ Die zunehmende Ödnis des Zentrums macht er an der Friedrich-Ebert-Straße fest. „Da gab es mal einen Geschenkeladen und auch die Metzgerei Wellert war da“, erinnert er sich wehmütig. Bousonville setzt auf die Stadtgesellschaft, engagierte Bürgerinnen und Bürger, die sich erstmals im April vor Ort trafen, um Ideen für die Zukunft zu entwickeln – nicht zuletzt für die Verkehrsführung im Viertel. Jetzt gelte es, mit den Bürgern im Dialog zu bleiben und diesen mit Handel- und Gewerbetreibenden zu koordinieren. „Vielleicht brauchen wir auch jemanden für Wirtschaftsförderung und Stadtmarketing“, überlegt er laut, „wie etwa in Bruchköbel. Man muss Dinge mal wagen.“

Doch die Stadt ist verschuldet, der aktuelle Haushalt bescherte den Bürgern eine Grundsteuererhöhung. Deshalb müsse man zuerst „Kassensturz“ machen, sagt Bousonville. „Prüfen und transparent machen, wofür wir Geld ausgeben und wo man einsparen kann.“ Auf der Einnahmen-Seite sieht er aber auch Licht am Horizont nach dem Besuch seiner Kreistagsfraktion bei IHK-Geschäftsführer Gunther Quidde. Laut dessen Statistik waren Erlensees Gewerbesteuereinnahmen zuletzt im Aufwind. „Da tut sich was.“

Vom IT-Manager zum Beamten auf Zeit

Vor einem Berufswechsel vom IT-Manager für einen großen Verkehrsdienstleister zum Beamten auf Zeit wäre Bousonville nicht bange. Durch seine Mitgliedschaft im Kreistag kenne er Bürgermeister, Landrat und Kreisbeigeordnete schon lange persönlich. Zudem habe die Stadt ein kompetentes Rathaus-Team, dessen Expertise er nutzen wolle. Fachlichen Austausch kann er auch mit der Frau an seiner Seite pflegen: Monika Kühn-Bousonville ist vielen Erlenseern bekannt als langjährige Grünen-Stadtverordnete, Blühbotschafterin und Mitglied des Kreisausschusses. SABINE MÜLLER